Zukunft der Fachkräftemigration – Gesetzesentwurf der Bundesregierung veröffentlicht:

Am 29.03.2023 wurde der Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung und für eine Verordnung zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung veröffentlicht. Das geplante Gesetz tritt voraussichtlich im Herbst/Winter 2023 in Kraft.

Die Fachkräfteeinwanderung soll zukünftig als sogenanntes „drei-Säulen-System“ ausgestaltet werden. Dies umfasst eine sogenannte Fachkräftesäule, eine Erfahrungssäule und eine Potentialsäule.

Daneben soll durch die Entbürokratisierung und Digitalisierung der Verwaltung auch das Visumsverfahren beschleunigt werden.

Im Folgenden werden die einzelnen Säulen, sowie die sonstigen Neuerungen überblicksartig dargestellt:

1. Die Fachkräftesäule

Diese Säule soll nach wie vor der zentrale Punkt der Zuwanderung nach Deutschland bleiben. Erforderlich sind hier ein in Deutschland anerkannter Abschluss, ein Arbeitsvertrag und zu Inländern gleichwertige Arbeitsbedingungen. Allerdings sollen auch hier Vereinfachungen geschaffen werden. So soll eine anerkannte Qualifikation zukünftig zu jeder qualifizierten Beschäftigung in nicht-reglementierten Berufen befähigen. Das heißt, dass der qualifizierte Beruf nicht an den qualifizierenden Abschluss gekoppelt ist.

Die Gehaltsgrenzen für die Blaue-Karte-EU sollen zudem gesenkt werden. Die Gehaltsgrenze soll 56,6 % der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung (reguläre Gehaltsgrenze) und bei sogenannten Engpassberufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Ingenieurwesen und Humanmedizin) 45,3 % der jährlichen Bemessungsgrenze (abgesenkte Gehaltsgrenze) betragen. Zum Vergleich: Aktuell gilt als reguläre Gehaltsgrenze zwei Drittel der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze zur allgemeinen Rentenversicherung (alte Bundesländer Stand 2023: 7.100 € pro Monat), sowie bei Engpassberufen 52 % der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze. Die abgesenkten Gehaltsschwellen sollen künftig für Berufsanfänger:innen, die einen Hochschulabschluss nicht mehr als drei Jahre vor der Beantragung der Blauen Karte EU erworben haben, auch außerhalb der Engpassberufe gelten.

Daneben sind zahlreiche weitere Erleichterungen geplant. So sollen etwa die Fristen zur Erteilung einer Niederlassungserlaubnis für Fachkräfte (§ 18c AufenthG) verkürzt werden. Auch die Einwanderung zum Zwecke der Berufsausbildung soll erleichtert werden.

2. Die Erfahrungssäule

Die neue Erfahrungssäule ermöglicht die Einwanderung nach Deutschland auch ohne einen in Deutschland anerkannten Berufsabschluss. So sollen die mitunter langen Anerkennungsverfahren vermieden werden. Erforderlich für die Erteilung eines Visums ist hier lediglich ein im Herkunftsland anerkannter Berufsabschluss mit mindestens zweijähriger Dauer der Berufsausbildung, sowie eine zweijährige Berufserfahrung.

Sofern für IT-Spezialisten mit Berufserfahrung eine Einreise nach Deutschland auch jetzt schon ohne Abschluss möglich ist, sofern bestimmte Qualifikationen nachgewiesen werden, sollen die Gehaltsschwellen hier auf das Niveau der abgesenkten Mindestgehaltsgrenze der Blauen Karte EU in den sogenannten Engpassberufen abgesenkt und auf den Nachweis von Deutschkenntnissen zukünftig verzichtet werden.

Durch eine sogenannte Anerkennungspartnerschaft ist eine Einreise für qualifizierte Drittstaatsangehörige selbst dann möglich, wenn die erforderliche Gehaltsgrenze nicht erreicht wird. Voraussetzung dafür ist, dass das Anerkennungsverfahren des ausländischen Berufsabschlusses in Deutschland zügig betrieben wird. Dazu müssen sich Beschäftigte und Arbeitgeber im Rahmen der Anerkennungspartnerschaft verpflichten.

3. Die Potentialsäule

Mit der Potentialsäule sollen Menschen, die noch keinen Arbeitsvertrag haben, die Möglichkeit bekommen, zur Arbeitsplatzsuche nach Deutschland einzureisen. Dazu wird ein Punktesystem eingeführt, zu dessen Auswahlkriterien etwa Qualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug und Alter gehören. So soll die Arbeitsplatzsuche erleichtert werden. Dafür soll die Möglichkeit einer zweiwöchigen Probebeschäftigung in Vollzeit während der Arbeitsplatzsuche bestehen und darüber hinaus eine Nebenbeschäftigung von bis zu 20 Stunden pro Woche erlaubt werden. Die Chancenkarte soll für maximal ein Jahr erteilt werden und kann nicht verlängert werden.

Die Punktetabelle soll nach dem aktuellen Gesetzesentwurf folgendermaßen ausgestaltet werden:

Merkmal nach § 20b Absatz 1 NummerPunkte bei Erfüllung des Merkmals
1 (Berufsqualifikation)4
2 (Sprachkenntnisse Niveau B2)3
3 (Sprachkenntnisse Niveau B1)2
4 (englische Sprachkenntnisse Niveau C1)1
5 (mind. fünfjährige Berufserfahrung in den letzten sieben Jahren)3
6 (mind. Zweijährige Berufserfahrung in den letzten fünf Jahren)2
7 (nicht älter als 35 Jahre)2
8 (älter als 35, jünger als 40 Jahre)1
9 (mind. sechsmonatiger rechtmäßiger und ununterbrochener Aufenthalt im Bundesgebiet in den letzten fünf Jahren)1
10 (Ehegatte erfüllt Voraussetzungen der Chancenkarte und beantragt diese bei derselben Stelle)1
Die Mindestpunktzahl beträgt sechs Punkte 

4. Sonstige Neuregelungen

Neben den drei Säulen sollen auch Möglichkeiten zur vorübergehenden oder dauerhaften Zuwanderung ohne eine Berufsqualifikation ermöglicht werden. Es soll eine kontingentierte und befristete Einreise für alle Drittstaatsangehörigen für Beschäftigungen unabhängig von einer Qualifikation, unter Berücksichtigung der dafür vorhandenen Kapazitäten eingeführt werden.

Die Westbalkanregelung (§ 26 Abs. 2 BeschVO) soll entfristet (bislang: 31.12.2023) und die Kontingentierung auf 50.000 Staatsangehörige je Kalenderjahr der sechs Westbalkanstaaten angehoben werden (bislang: 25.000 je Kalenderjahr).

Auch sollen bestimmte Zweckwechselverbote (§ 16b Abs. 4 AufenthG) abgeschafft werden. Nationale Visa (§ 6 Abs. 3 AufenthG) zur Ausübung einer qualifizierten Beschäftigung sollen zukünftig für die Dauer von einem Jahr (statt aktuell regelmäßig drei bzw. sechs Monaten) erteilt werden.

Zudem soll das Anerkennungsverfahren für ausländische Berufsabschlüsse durch einen erhöhten Personaleinsatz und die Digitalisierung etwa der Antragstellung, Terminvergabe und Weiterleitung der Unterlagen vereinfacht und beschleunigt werden.

5. Fazit

Die Pläne der Bundesregierung sind ambitioniert. Bundeskanzler Scholz kündigte „das modernste Fachkräfteeinwanderungsgesetz der Europäischen Union“ an. Sollten die Eckpunkte tatsächlich so umgesetzt werden, würde dies eine erhebliche Vereinfachung und Verbesserung für die Fachkräfteeinwanderung nach Deutschland bedeuten. Nach Einschätzung des Gesetzesentwurfs vom 29.03.2023 könnte die Einwanderung qualifizierter Drittstaatsangehöriger zum Zweck der Erwerbsmigration ergänzend zur Einwanderung aus EU-Mitgliedstaaten, aus familiären oder humanitären Gründen um jährlich bis zu 60.000 Personen erhöht werden.  Es ist zu hoffen, dass bisherige Missstände in der Praxis aus dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz 2019 im Rahmen des nun vorgelegten Gesetzesentwurfs behoben werden.

Die Gesetzesentwürfe zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes sowie der Beschäftigungsverordnung sind unter folgendem Link zu finden: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2023/03/fachkraefte-kabinett.html

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